Fallen.

Seit Ewigkeiten träume ich schon davon, mich endlich einmal wieder fallen zu lassen. Den ganzen täglichen Ballast, die unsichtbaren Hände auf meinen Schultern, die tagtäglich Druck ausüben, all das hinter mir zu lassen und einfach in ein Bett zu fallen oder in die Arme von diesem noch namenlosen Du, die mich hält, mich fängt, den Aufprall etwas abfedert. Neben der ich einschlafen kann und ich noch kurz bevor mich der Schlaf übermannt am Hals rieche. Der ich am nächsten Morgen mit einem Kuss auf die Wange die erste Aufmerksamkeit des Tages schenke. Der ich durch die Haare streichle, wenn du beim gemeinsamen Filmschauen neben mir eingeschlafen bist. Ich träume von dieser Nähe, die mir gerade jetzt wieder so verdammt fern ist, die mir aber so viel Sicherheit zu geben vermag, und sei es auch nur für eine kurze Zeit. Sich fallen zu lassen in jemanden, der sich auf mich einlässt, der einem diese wohltuende Watte aus Vertrauen ausrollt. Ich kann mir nur wenig Schöneres gerade vorstellen.

Vor ein paar Tagen wäre ich fast gefallen. Es ist vollkommen aus dem Nichts passiert, es war von einer Sekunde auf die andere, ich bin langsam mit meinem Kopf nach vorne gekippt, konnte mich gerade noch halten, um nicht komplett den Halt zu verlieren. Die Welt machte eine Hundertachtziggraddrehung, als kleine Show, nur für mich, nur in meinem Kopf. Von Watte konnte nun wirklich keine Rede sein; alles was mir blieb ist diese Scheißangst, dass das immer und immer wieder passieren kann. Dass ich mir nie mehr sicher sein kann. Dieser Vertrauensverlust gegenüber meines Körpers hätte mich wohl stundenlang weinen lassen, hätte ich mich nicht davon abgehalten.

Seitdem lebe ich wieder mit dieser Angst, sie ist nicht neu, sie war nur lange genug weg, um mich wieder zu sicher zu fühlen. Auf meinen Körper ist kein Verlass mehr, war nie Verlass. Er muss erst wieder betäubt werden, ein kleiner kaputter Teil davon, damit ich die Angst langsam wieder ab- und ich das Vertrauen in meinen Körper wieder aufbauen kann.

Und dann frage ich mich, warum gerade mir immer diese Fallen gelegt werden, wenn ich doch gerade auf einem guten Weg war, warum ich so Gefallen an Fallen und am Fallen habe und so eine beschissene Angst davor. Weil das eine mir Sicherheit gibt und das andere sie mir nimmt. Weil das namenlose Du noch namenlos ist, mir aber der Gleichgewichtssinn nichts mehr vorschwindeln will. Jedes Mal, wenn mir das passiert, brauche ich Tage, brauche Wochen oder manchmal noch länger, bis ich mir wieder vertrauen kann, bis es wieder bergauf geht, bis es endlich aufhört. Aufhört mir Angst zu machen. Nicht nur das Fallen ohne Kontrolle, sondern auch das Fallen in deine Richtung.

Ich wär so gerne einmal wieder ohne Angst.

One thought on “Fallen.

  1. Oh, Dominik, gerade lese ich diesen Beitrag! Ich bin ja im Fallen geübt, hach, Herr Menière, und ich kenne alle begleitenden Ängste. Der Verlust des Gleichgewichtssinns ist etwas sehr Fundamentales, und ich hoffe, Du kannst das Nötige tun, um ihm zu begegnen. Bei mir war’s Physiotheratpie, das reicht alleine nicht, aber man wird etwas sicherer auf den Beinen.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert