Selbstporträt mit Flusspferd • Arno Geiger

Julian nimmt einen ungewöhnlichen Sommerjob an: Er kümmert sich um ein Zwergflusspferd im Garten des alten Professor Beham, versucht dabei über eine Trennung hinwegzukommen und nebenbei auch noch das mit dem Erwachsensein auf die Reihe zu kriegen.

 

Als Student der Veterinärmedizin mag Julian grundsätzlich ja Tiere. Als sein Freund Tibor ihn fragt, aber er für ein paar Wochen seinen Sommerjob bei einem alten Professor übernehmen könne, zögert er anfangs noch. Die Trennung von Judith sollte eigentlich noch qualvoll ausgelebt werden, aber schlussendlich entscheidet er sich  doch für die Ablenkung und das Zwergflusspferd, für dessen Pflege er nun zuständig sein wird.

Die Tage im Haus von Professor Beham, einem klugen, sterbenden alten Mann, gefallen ihm. Die Arbeit mit dem Zwergflusspferd verläuft rasch in gewohnten Routinen, und regelmäßig holt er dem im Rollstuhl sitzenden Professor eine Flasche Wein aus dem Keller und verbringt vermutlich mehr Stunden als notwendig. Ein Grund ist wohl auch Aiko, die Tochter von Beham, fünf Jahre älter als Julian und so ablehnend, dass Julian ganz einfach seinen Herz an sie verlieren muss.


Arno_Geiger_2010.jpgArno Geiger

geboren 1968 in Bregenz

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Diese ständige Unsicherheit, dieses Revoluzzermäßig-Unsoziale, diese Angst das Falsche und den großen Wunsch stets das Richtige zu tun, dazwischen das Jammern und seine übertriebenen Freudensprünge – Julian hat mich an manchen Stellen echt genervt. Kurz danach ist mir aber dann aufgefallen, dass ich genau diese Dinge, die ich an ihm fast unausstehlich finde, von mir selbst kenne. Und dann beneide ich Julian sogar, dass er, sechs Jahre jünger als ich, in Wahrheit schon auf dem selben Niveau ist.

Es fiel mir schwer, die Geschichte von Julian, Tibor, Professor Beham, Aiko und dem Flusspferd in einem durch zu lesen – fast zweieinhalb Monate begleitete mich das Buch auf meinen Fahrten in Wiens Öffis. Das ist jetzt nicht negativ gemeint – ich habe zumindest eine Zeit gebraucht, da hinein und mich dort zurechtzufinden, habe stets überlegt, welche Metapher dieses Zwergflusspferd sein soll und blieb am Ende ratlos und zufrieden zurück. (Auf Wikipedia lohnt es sich übrigens, den „Hintergrund“ zum Flusspferd nachzulesen)


„Verdammt noch einmal, das war etwas Unverbindliches“, sagte sie, und ich hörte den Anlauf, den sie genommen hatte: „Und jetzt schaust du mich so an! Was soll das, he? Das ist schrecklich! Schau mich nicht so an! Wehe du schaust mich noch einmal so an! Ich verbiete es dir! Du bist so ein Esel, das ist fast schon wieder … Ach, lass mich.“


Julians schweres, lädiertes Herz, der todessehnsüchtige Professor mit seiner hübschen jungen Tochter, das Zwergflusspferd in einem Privatgarten in Wien – all das lässt Geigers Roman anfangs zu konstruiert wirken, aber die Charaktere entwickeln sich rasch und lassen etwas tiefer in sich blicken, ohne dabei zu viel von sich preiszugeben. Selbstporträt mit Flusspferd ist ein angenehm unaufgeregtes Buch mit Wienbezug, ein Coming-of-Age-Buch über das Ende und den Anfang, das Leben und die Liebe, eine Erzählung über so viel Triviales und Banales und zwischendurch watet immer mal wieder das Flusspferd durchs Bild.


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Arno Geiger
Selbstporträt mit Flusspferd

dtv

ISBN: 978-3-423-14526-8
286 Seiten
Leseprobe (*.pdf)

erstmals erschienen: 26. 8. 2015
erhältlich als: Hardcover, Taschenbuch, eBook, Hörbuch

Preis (Taschenbuch): € (D) 10,90 / sFr 16.90 / € (A) 11,30


Bildquelle: Amrei-MarieEigenes Werk, CC BY-SA 3.0 de, Link

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