Mika • Wortheld Februar 2017

Mika kenne ich nun schon seit drei (oder zweieinhalb) Jahren, als wir zeitgleich dasselbe Studium begannen und sich unsere Wege damit zum ersten Mal kreuzten. Seit vergangenem Jahr produziert er zudem seine raren und großartigen Sollbruchstücke; daher kann ich nun gar nicht mehr anders und hab ihn zum Februar-Worthelden des Jahres 2017 ernannt.

1. Wer bist du und wenn ja, warum?

Ich bin der Michi, manchmal noch der Mischa und wenn es um kreatives Schreiben und ein paar andere Sachen geht der Mika. Warum? Wegen den Wegen, die ich gegangen bin, den Menschen, die ich getroffen habe, den Rückschlägen, die passiert sind.

2. Bist du das „Ich“ in deinen Texten?

In den Sollbruchstücken gibt es eigentlich immer ein ich, und zu sagen, dass das nichts mit mir zu tun hat, wäre schlicht gelogen. Im Gegenteil. Dieser Blog ist vermutlich das Ehrlichste, was ich in meinem Leben hab. Meine schlechteren Beiträge sind find ich die, die zu direkt dieses sich wandelnde du ansprechen. Die ichs sind greifbarer, insofern passt das schon. Aber natürlich hoff ich, dass die Gedichte ein bisschen mehr sind, dass diese subjektiven ichs dann doch irgendwie auch ein bisschen was Universelles haben, in dem sich meine Leser*innen „zuhause“ fühlen können. Trotzdem ergeben alle diese ichs kein Gesamtbild, sondern sind nur Sollbruchstücke von mir. Und längst nicht alle. (Ihr wisst ja zB alle nicht wie wohl ich mich manchmal in Fremdsprachen fühl, reimen lässt sich immer noch am besten auf Schwedisch.)

3. Welches Datum trägt dein allererster Text und warum fasziniert dich das Schreiben?

Meinen ersten Text, an den ich mich bewusst erinnern kann, hab ich während der Schulzeit geschrieben, HAK, 16 oder so, vielleicht auch ein wenig später. Ganz generell war der Deutschunterricht in der HAK ziemlich zentral – Shoutout an Frau Fessa Schlenz-Decker! Irgendwann waren die freien Texte bei ihr die einzigen Hausübungen, die ich noch gemacht hab, und auch die nur schleißig.

Ich war nie gut im Sport. Ganz ok beim Hockey, aber das wars schon, eher so Richtung Bewegungslegastheniker. Unter diesen Voraussetzungen war Sprache die einzige Selbstverteidigungskunst, die mir offen gestanden ist. Aus mit Worten verteidigen ist dann sich den Weltschmerz wegschreiben geworden. Beeinflusst haben mich damals Autor*innen wie Jelinek, Bernhard, Kafka. (Ich hab eigentlich bis vor ein paar Jahren immer nur dann viel gelesen, wenn irgendetwas Pflichtlektüre für Schule oder Uni war.)

Wie ich mich der Lyrik genähert habe, weiß ich gar nicht mehr. Wahrscheinlich über die Musik und einzelne gute Autor*innen, die (ebenfalls) in Schule und Studium besprochen wurden. Der einzige, der mir namentlich als Einfluss in Erinnerung geblieben ist, ist der Finnlandschwede Gunnar Björling.

So richtig kam die Faszination für die Lyrik und das regelmäßige Schreiben erst mit meinen sollbruchstücken für das Projekt *.txt – und einer Phase massiver Verwirrung.

Was mich am Schreiben fasziniert weiß ich jedenfalls recht genau: Schreiben ist gleichzeitig Widerstand, Katharsis, Schöpfung. Schreiben ist einfach ziemlich wöd.

4. Was kannst du nicht in Worte fassen?

Die void. Diesen Augenblick wenn ich glaube, in eine unendliche Leere zu starren. Wenn meine zwei -äpfel die einzigen sind, die bei Aug um Aug auf dem Spiel stehen, weil sonst gar niemand da ist. Schreiben verliert da jeden Sinn, weil es keine Adressat*innen mehr gibt. Und auch keinen Autor mehr. Da finden sich dann keine sollbruchstücke, nur mehr Quanten.

5. Wo kommen dir die besten Ideen?

In meiner Küche, am offenen Fenster, Aschenbecher vor mir; und wenn ich – meistens nicht ganz nüchtern – spätabends von Freund*innen nachhause fahre, und wir gut geredet haben. Egal ob das jetzt über Politik, Astrophysik, Herzscheiße oder sonst was war.

6. Wer oder was inspiriert dich?

Schreiben ist bei mir oft der Versuch, aus Verwirrung Aufbruchstimmung zu machen. Aber auch andere Emotionen, die eine*n selbst beschäftigen; Sehnsucht, Ärger, Hoffnung. Und naja, öfter als gewollt haben Frauen damit zu tun, #realtalk. Klingt leider sehr clichéhaft, aber ich will ja ehrlich sein. Es aber nur darauf runterzubrechen wird meinen Inspirationen auch nicht gerecht: Oft kommen mir auch einfach Ideen, wenn ich selbst irgendeine „Kunst“ konsumiere, also Filme, Lieder, Texte, und wie eh schon gesagt oft auch im Gespräch mit Freund*innen und anderen Leuten.

 

7. Wie lange arbeitest du durchschnittlich an einem Text und hast du eher viele oder wenige Entwürfe in deinem Blog?

Yung Hurn hat gesagt, wenn ihm was einfällt, macht er seine Notiz-App auf, und wenn nach 10 Minuten was steht, ist es ein Track, wenn nicht, wars eh keine gute Idee. Ganz so is es bei mir nicht, aber das Meiste wird schon in einem runter geschrieben. Und dann nur je nach Bedarf verfeinert. Ob ein Text fertig ist oder erst mal liegen bleiben muss entscheidet meistens das Bauchgefühl. Nicht immer richtig, aber oft.

8. Leidet die Kreativität, wenn du glücklich bist – oder wenn du unglücklich bist?

Emotionen müssen auf jeden Fall da sein, und wahrscheinlich auch immer Verwirrung, oder die Suche nach irgendwas. Melancholie womöglich. Also vermutlich ist Unglück produktiver, aber wenn es zu heftig wird rutscht man halt in Richtung void, und wie schon erwähnt geht dann meistens gar nichts mehr.

Long story short: Die Mischung machts.

9. Wenn du einen einzigen Text von dir mit auf eine Inseln mitnehmen würdest – welcher wäre das und warum?

Ich habe mehrere Lieblingstexte, aber am Schluss würde die Wahl vermutlich auf Lass sie reden fallen, das erste Gedicht auf meinem Blog. In gewisser Weise war dieser Text der Startschuss in ein neue Lebensphase, eine der Konfrontation. Ich hab mir in ihm viel eingestanden und begonnen, mehr auf mich selbst zu hören. Das ist vermutlich auch der Grund, warum die Texte aufm Blog dann doch zumeist sehr schwer sind. Weil man die leichten Dinge im Leben ja nicht konfrontieren muss.

10. Welche drei anderen literarischen Blogger beneidest du für ihre Sprache?

Ähm, ich habs nicht so mit Literaturblogs. Ich fang jetzt erst langsam damit an, und entdecke da vor allem einige vergangene Wortheld*innen für mich. Die Verschreibungen zum Beispiel, oder katkaesk. Neon|Wilderness sowieso.

Aber weil ich hier endlich mal die Gelegenheit hab, muss ich leider bissi rumnerden: Joakim Berg ist für mich immer noch der zu hypende Lyrik-Geheimtipp. Problem is halt, dass er Schwedisch schreibt, so als Texter/Leadsänger einer ziemlich großen Band da oben. Seine Texte begleiten mich seit mittlerweile sieben Jahren, und vermitteln immer wieder sowohl Inspiration als auch Halt und das Gefühl, verstanden zu werden. Die Melodien schwerer (und teilweise kitschiger) Synthiepop. Aber ja, hier ein Lied von Kent inkl. schwedischen Lyrics und englischer Übersetzung. Definitiv aber nicht ihr bestes. (Englische Übersetzungen all ihrer/seiner Texte finden sich hier.)

Andere Lieblings-Lyriker in der Musik: Elena Tonra von Daughter und Matt Berninger von The National.


Hier findet man Mika im Netz:

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