Franzi • Wortheldin März 2015

Ich hole sie vor den Vorhang: Wer sind diese Worthelden, die mich mit ihren literarischen Texten auf ihren Blogs verzaubern? Diesmal hat Franzi mein 10 Wortheld-Fragen beantwortet.

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Wer bist du und wenn ja, warum?

Ich bin Franziska, 29 Jahre alt, geboren, aufgewachsen und wohnhaft im nordhessischen Niemandsland. Ich arbeite seit 10 Jahren als Mediengestalterin, ich bin Brillenträgerin, ich habe Angst vor Tauben und ich werde leicht seekrank, nicht nur auf dem Wasser, auch im Auto. Ich habe einen Freund, eine Katze und ich bin allergisch gegen Pilze und Tomaten. Und ich habe eine 7-4-Schwäche. Das macht sich z.B. dadurch bemerkbar, dass ich manchmal die Zahlen vertausche, wenn mir jemand eine Telefonnummer vorliest. Ich habe noch keine einzige Folge des Tatortes geguckt und auch nicht „Die wunderbare Welt der Amelie“. Wenn eine Schublade im Schlafzimmer offen ist, kann ich nicht schlafen. Ich bin mitfühlend und nah am Wasser gebaut, ich höre gern zu, werde aber vollkommen wahnsinnig, wenn Leute sich in langatmigen Details verlieren und nicht zum Punkt kommen.. Manchmal bin ich zu streng mit mir und anderen, ich bin tolerant, außer gegenüber Oberflächlichkeit in Verbindung mit einer gewissen Humorlosigkeit. Meine Ehrlichkeit ist meine größte Stärke und gleichzeitig meine größte Schwäche. Ich hasse Small Talk, wenn das von mir verlangt wird, dann wirke ich oft verloren, zumindest glaube ich das. Ich diskutiere gerne. Zum Beispiel darüber, dass „Lost“ nicht die beste Serie aller Zeiten ist, weil nämlich nur die ersten drei Staffeln super waren. Wenn Leute mir sagen, dass ich doch mal lachen oder gesprächiger oder einladender oder sonstwas sein soll, dann tut mir das leid. Für die, nicht für mich. Als Kind wurde ich von einem meiner Cousins immer „Wurzelsepp“ genannt und ich bin als Baby zuerst rückwärts gekrabbelt. Ich glaube, das erklärt vieles.

Und wie viel davon steckt in deinen Texten?

Ausschnitte daraus. Nicht alles, in letzter Zeit immer weniger. Ich habe mich früher oft lustig gemacht, war wütend, hatte Kummer. Die Leute denken dann, man würde vom einen Extrem zum anderen stolpern. Man beendet so einen Text ja dann auch nicht mit den beschwichtigenden Worten „Ich hab mir das jetzt alles nochmal durch den Kopf gehen lassen und es ist gar nicht so tragisch.“ Man übertreibt. Das liest sich ja auch ganz gut. Aber mittlerweile verwende ich Übertreibungen eher, um scheinbar ganz neutrale, normale Alltagssituationen zu beschreiben. Das muss ich dann gar nicht immer irgendwo veröffentlichen, es wird auch viel gesammelt. Ich glaube, im Vergleich zu früher lasse ich weniger die zwei Extreme in meine Texte einfließen, eher die ganzen Grauabstufungen dazwischen. Die machen mehr Sinn. Wenn man liest, wer jetzt bei Germanys next topmodel in die nächste Runde gekommen ist und dass sich ein Dreijähriger in Texas selbst erschossen hat, dann hat man plötzlich das ganz starke Verlangen nach ein bisschen Normalität, auch in den Texten. Und die macht auch mehr Spaß, weil sie ja jeden betrifft. Das Alltägliche ist ziemlich großartig.

Seit wann und warum schreibst du eigentlich?

Ich blogge seit zehn Jahren. Ich schreibe seit zwanzig Jahren. Ich kann beim besten Willen nicht mehr sagen, warum ich damit angefangen hab. Ich beneide auch diejenigen ein bisschen, die da eine gute Antwort geben können, die genau wissen, warum sie damals zu Stift und Papier gegriffen haben.

Es gibt aber zahlreiche Gründe dafür, dass ich es immer noch tue. Ich bin ein chaotischer Mensch, ich interessiere mich für viele Dinge und viele unterschiedliche Menschen, manchmal denke ich über drei Dinge gleichzeitig nach, verliere mich in Details, während ich gleichzeitig versuche, das große Ganze zu überblicken. Das Schreiben ordnet das alles. Es entwirrt mich. Wie Stoßlüften fürs Gehirn. Es gibt mir ein Stück Selbstsicherheit. Ich bin nicht voller Power, ich erfülle einen Raum nicht mit meiner Energie, ich kann auch in großer Runde keine tollen Geschichten erzählen, aber im Notfall weiß ich wer ich bin. Ich höre manchmal von anderen, dass ich ein „seltsamer Mensch“ bin und ich glaube ohne das Schreiben, würde ich verrückt werden als scheinbar seltsamer Mensch auf dieser Welt. Wenn man schreibt, dann erträgt man diesen kleinen Schwachsinn. Man handelt etwas weniger fremdbestimmt, weil man sich auch einfach ein bisschen mehr für seine Umwelt interessiert. Und es ist schön, dass ich auf dem Papier verrückt werden und ein bisschen um mich schlagen kann, und nicht draußen auf der Straße. Da würde ich auch verlieren, ich habe kleine Hände.

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Was macht dich sprachlos?

Das Meer. Die Natur ganz allgemein. Wenn ein Feld im Nebel liegt und da nur ein Baum oder Haus oben rausschaut und alle Farben so ineinander übergehen und ich denke „Wer hat denn das geile Bild gemalt?!“ Babys. Zahnärzte. Musik. Und manchmal auch Menschen, die dumm sind und dann auch noch eine große Schnauze haben. Dass so was immer in Kombination auftaucht, das macht mich sprachlos. Wenn etwas offensichtlich unfair oder total daneben ist, dann reagiere ich mit einer Schweigeminute, die manchmal zur Schweigeviertelstunde wird. Ich muss mich dann immer sammeln, was scheiße ist, denn viel besser wäre es ja, direkt Hilfe anzubieten oder denjenigen einfach zu ohrfeigen. Seit einer Weile denke ich darüber nach, in solchen Momenten einfach umzufallen. Ich arbeite noch an einer Technik, bei der ich mich nicht ständig selbst verletze.

Wo befindet sich dein kreativster Ort?

Ich habe keinen bestimmten, kreativen Ort. Es sind ganz viele. Das Auto, Kinosäle, Wartezimmer, Kühlregale, Kneipen, Wälder, öffentliche Verkehrsmittel, natürlich auch das Internet. Es kommt immer darauf an, wie aufnahmefähig ich gerade bin.

Wer oder was inspiriert dich?

Ich finde kluge Menschen inspirierend, die sich dadurch nicht von anderen abheben wollen, sondern einfach ihr Wissen, ihre Erfahrungen weitergeben möchten. Und Leute, die komplizierte Zusammenhänge erklären können. Ich glaube nämlich nicht an das Komplizierte. Ich bin ein fanatischer Anhänger des Einfachen. Natürlich auch irgendwelche Dialoge in Filmen oder erfundene Begriffe aus Serien oder Büchern. Und häufig lese ich irgendwo einen Satz, der mir gefällt, den ich mir notiere und Wochen später irgendwie aufgreife und dazu ein bisschen was schreibe. Und Menschen, die in vielen Dingen das komplette Gegenteil von mir sind, zu denen ich aber trotzdem einen Zugang habe. Leute, die sich ihre Einzigartigkeit bewahren, ohne ständig darauf hinzuweisen, dass sie sich durch dieses oder jenes von anderen abheben. Ich finde es toll, wenn Leute ihre eigene Durchschnittlichkeit erkennen und einfach ihr Ding machen, und die Durchschnittlichkeit und Außergewöhnliches nicht als Gegensatz begreifen. Und natürlich inspiriert mich manchmal auch das Wetter oder die Geräusche um mich herum. Ich stand heute auf dem Balkon und habe vier Geräusche gleichzeitig wahrgenommen: jemand hat in der Nähe Schlagzeug geübt, der andere Klavier, dann war da Vogelgezwitscher und in der Ferne das Heulen von Motoren und diese Gegensätze waren super, sowas inspiriert mich.

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Wie viele Entwürfe verstecken sich in deinem Blog?

Zur Zeit 23. Das sind aber zum größten Teil Texte, die ich auf dem alten Blog veröffentlicht hatte. Es versteckt sich also kein vollständiger Text in meinen Entwürfen, den ich irgendwann mal posten werde. Wenn ich etwas bloggen möchte, darf das ruhig gelesen werden. Ich warte dann nicht unbedingt auf irgendeinen Moment oder hebe es mir für später auf.

Bist du kreativer, wenn du glücklich oder wenn du traurig bist?

Früher: Wenn ich wütend war. Mittlerweile hilft es, einigermaßen ausgeglichen zu sein, aber schnell auf bestimmte Emotionen zurückgreifen zu können. Das klingt irgendwie technisch, ist es vielleicht auch. Früher konnte ich das einfach besser, wütend oder traurig sein und dann einfach drauflos schreiben. Geht heute nicht mehr. Hat das mit dem Alter zu tun? Ich weiß es nicht. Jedenfalls darf ich nicht zu emotional sein, sonst endet mein Schreibvorhaben damit, dass ich Spotify anschmeiße, zwei Stunden lang nur Musik höre und meinen Blutdruck messe. Manchmal ist es auch so, dass ich kreativer bin, wenn ich eine Tasse  Kaffee zu viel getrunken habe und das Gefühl habe, dass mein Herz gerade ein bisschen aus dem Takt gerät. Wein ist auch gut. Wenn man gerade so eine ganz pragmatische „Es ist fünf vor zwölf, wir müssen alle sterben, was willsde machen?“-Stimmung erreicht hat und da noch ein bisschen Wein drüber kippt, dann kann das sehr interessant sein. Auch wenn solche Texte momentan – wie gesagt – größtenteils von niemandem außer mir selber gelesen werden.

Was ist dein ganz persönlicher, selbst geschriebener Herzenstext?

Habe ich keinen und wenn, dann ist es immer der, den ich gerade schreibe.

Welche drei literarischen Blogger möchtest du empfehlen?

modeste.me, bisaz.de und abgeschirmt.wordpress.com

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