Der Wunsch nach einem Treffen wuchs über mehrere Jahre. Wir sind gemeinsam in die Schule gegangen. Danach trennten sich die Wege. Der Kontakt nicht, aber über Monate war es still. Einer blieb in der gleichen Stadt, mich zog es in die große und der Dritte verließ das Land. Immer weiter. Inzwischen sind wir alle in unterschiedlichen Ländern. Studieren war der Begriff nach außen. Tatsächlich ging es um viel mehr. Sich selbst finden. Herausfinden, wer man werden möchte oder wie man werden möchte.
Ohne ihnen hätte ich es nicht geschafft. Ohne ihnen wäre ich anders geworden. Gemeinsam durch die Pubertät. Das verbindet. Für immer.
Als meine Tochter zwei wurde, habe ich es nicht mehr ausgehalten. Ich schrieb zwei Briefe. Dass ich sie vermisse. Dass ich nie wieder eine solche Verbindung mit jemanden fühlte und so offen über alles sprechen konnte. Tee trinken. Tee trinken und über alles sprechen, das uns kaputt macht. Und alles, das uns antreibt. Mein Leben hat Haken geschlagen. Ich weiß manchmal nicht mehr weiter. Wenn man tausende Kilometer voneinander entfernt ist, kann man sich nicht spontan verabreden. Irgendwo der Wunsch, dass es auch über Sprache und Text alleine geht. Tut es aber nicht immer. Und dann liege ich nächtelang wach und mache mir Sorgen. Es geht mir nicht um das große Ganze. Kleine Dinge teilen. Aber nicht zur Selbstbedienung hinstellen, sondern jemanden adressieren. Eine direkte Reaktion bekommen. Sich wissend anschauen. Ihr fehlt mir. Ihr fehlt mir.
Ich bekam per Mail die Bestätigung, dass der Brief ankam und man das ähnlich sähe. Man würde sich nochmals melden. Mit ausführlicher Antwort und wegen eines Termins.
Unsere Leben sind komplexer geworden. Wir müssen unsere Wünsche gegen die Bedürfnisse anderer abwägen. Ich versuche. Ich. Wir. Früher. Zumindest an was ich mich erinnere. Früher war es meist klar, was geht und was nicht. Zusätzlich war der Rahmen vorgegeben und man konnte nur in bestimmten Fenstern selbst bestimmen. Darüber hat man sich aufgeregt. Aber es gab auch die Freiheit in den Räumen nur auf sich selbst zu achten. Es gibt die Theorie, dass wir uns selbst stärker einschränken, als das andere es je von uns erwarten würden. Die Erwartungen, die man glaubt, dass andere an einen haben, ist eine Lüge. Und sie frisst uns auf.
Wochen später kam der erste Brief zurück. Ich weinte. Ich las ihn erneut. Soviel Nähe. Es ist nicht zu vergleichen mit einer Zeit, in der geographische Entfernung den Austausch ausbremst bis unmöglich macht. Ich weiß wo sie sich ungefähr aufhalten und woran sie gerade arbeiten. Bei einem mehr, beim anderem weniger. Aber es ist nur der Schein. Wir transportieren selten Motivationen und Ängste über öffentliche Kanäle. Zu unsicher wie und von wem sie wahrgenommen werden. Und wenn wir es doch tun sind sie glattpoliert. Konsistenz ist wichtig. Der Mensch ist aber nicht konsistent. Ich fühle mich aufdringlich, wenn ich zu jedem Informationsschnipsel versuche den Hintergrund zu erfahren. Mich nervt es selbst, wenn es die falschen Menschen machen. Die richtigen haben meist zu große Sorge es zu tun. Vermutete Erwartungen.
Dann der zweite Brief. Ich weiß nicht was ich erwartet habe. Es war ungewohnt, dass wir uns schriftlich in Langform austauschten. Die Sätze begannen holprig. Erst auf der zweiten Seite beginn alles zu fließen und kurz darauf wurde eine es eine Flut. Vieles das sich über die Jahre angesammelt hat, schoss durch das Ventil. Bis auf eine Sache konnte ich alles nachvollziehen und ich wurde traurig, als die letzte Seite zu Ende war. Am liebsten hätte ich mich in ein Auto gesetzt und wäre zu ihm gefahren. Aber Komplexität unserer Leben.
Wir begannen mit wöchentlichen Ferngesprächen. Manchmal zu dritt, manchmal zu zweit. Je nachdem wie wir es schafften. Das alte Feuer brannte noch und wir tranken Tee. Am Ende immer der selbe Abschied, dass wir uns auf das Wiedersehen freuen würden.
Looka
kommt aus den Bergen. Er ist verheiratet und hat ein Kind. Worte sind seine Flucht und seine Liebe. Er schreibt auf: http://looka.at
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