Man kennt ja dieses Bild des an die Tür klopfenden Todes. Wenn man ihm die Tür jedoch zuschlägt, setzt er sich auch einfach auf den Badewannenrand. Bis es klingelt.
Er werde sterben, etwas mit dem Herzen, und ja, er sei noch relativ jung, aber wenn der Name erst einmal im Buch steht, müsse der Tod eben tun, was der Tod eben so macht. Doch als Sophia, die Exfreundin und Tochter eines bereits verstorbenen Pflegeheimbewohners anläutet, fühlt sich de Tod im geplanten Ablauf gestört. Sie betritt die Szene und darf sie nun auch nicht mehr verlassen. Und während der Tod zum ersten Mal länger unter den Lebenden weilt, begleitet Sophia die beiden nun durch einen Roadtrip durch ganz Deutschland.
Allerdings hat sich in meinem Leben so viel wiederholt, dass ich langsam gespannt bin, wie das wird, mit dem Todauf die Reise zu gehen. Jetzt, wo ich das hier loslassen muss, kommt es mir vor, als ob ich mein ganzes Leben nichts richtig festgehalten hätte.
Denn nicht nur dem namenlosen Protagonisten geht es an den Kragen, nein. Auch der Tod selbst könnte sterben, denn ein neues Wesen will die Lebenden abholen. Unerwartete Konkurrenz also, und nachdem der Tod selbst es ja nicht wirklich böse meint (er hat ganz einfach ein Buch mit Namen) und auch sonst sehr sympathisch auftritt, wohingegen „der/das Neue“ teuflisch, brutal und gemein klingt, geht es zumindest für den Tod ums nackte Überleben.
Thees Uhlmann
geboren 1974 in Hemmoor
Uhlmann ist Sänger der Hamburger Band Tomte, zusätzlich als Solokünstler aktiv und „Sophia, der Tod und ich“ ist sein literarisches Erstlingswerk. Aber er veröffentlichte bereits „Wir könnten Freunde werden: Die Tocotronic-Tourtagebücher“ (2000)
Wer die Songs von Tomte kennt, weiß ja, dass Uhlmann mit Worten nicht schlecht umgehen kann. Deshalb war ich natürlich sehr gespannt auf das erste Fiktionsbuch aus der Feder des Künstlers. Die Geschichte ist lustig und traurig zugleich, teilweise gemütlich und nett wie ein Gespräch unter Freunden, ein anderes Mal so düster, als würde man unter Stephen Kings Bett blicken.
Und dazwischen baut Thees Uhlmann so viele schöne, berührende, wahre Lebensweisheiten ein, so viele richtige Gedanken über das Leben und den Tod, über Etwas-zum-letzten-Mal-Machen und über das Vermissen. Über Fehler in der Vergangenheit und dass nach dieser Gegenwart keine Zukunft kommen wird. Tiefsinnig, lustig, berührend, philosophisch – ein wirklich schönes Werk von Thees Uhlmann.
„Unsere Sache ist so eng miteinander verbunden, dass unsere Wege sich nicht trennen können“, nickte der Tod begeistert, weil ich langsam verstand und begann, seine Regeln zu erahnen.
Das Hörbuch: Der Autor liest sich selbst
Erstmal habe ich nicht nur das Buch, sondern auch das Hörbuch angefragt: Thees Uhlmann liest dabei selbst sein literarisches Werk. Und wer bei den lustigen Stellen so richtig lachen, bei den gruseligen Stellen mitunter auch Gänsehaut haben möchte, dem sei diese Form der Lektüre empfohlen. Uhlmann bringt eine ganz heimelige Atmosphäre in die ganze Geschichte, so als würde man wirklich gemeinsam mit Sophie, dem Tod und dem namenlosen Protagonisten quer durch Deutschland fahren, mit ihnen in einer Bar versumpern und mit dem Tod per du sein. (Das Hörbuch gibt es übrigens auch auf Spotify).
Thees Uhlmann ist offenbar ein Universalgenie. Mit Tomte und als Solokünstler schon seit Jahren auf der Erfolgsspur, legt er mit seinem ersten literarischen Werk ebenfalls eine großartige künstlerische Arbeit vor. Die Geschichte des namenlosen Protagonisten, der sterben wird, von Sophia, die zufällig anklingelt und dem Tod, der es in Wahrheit gar nicht so böse meint, berührt und die Gedanken, die sich der Ich-Erzähler in den 318 Seiten vor seinem Tod macht, sind so nachvollziehbar wie genial und traurig zugleich. Es ist also kein klassiches Buch über das Sterben, sondern eine besondere Mischung aus Leben und Tod, aus Spaß und Trauer und Angst und Hoffnung. Ich kann es also nur jedem empfehlen, vor allem die Hörbuchversion. Oder wie die Mutter sagen würde: „Schön! Schön! Schön!“
Thees Uhlmann
Sophia, der Tod und ich
Buch: Kiepenheuer & Witsch, Hörbuch: Gran Hotel Van Cleef
Preis: Hardcover 18,99 Euro, eBook 16,99 Euro, Hörbuch: 15,99 Euro (Info zu Partnerlinks)
320 Seiten
ISBN:978-3-462-04793-6
Transparenz: Mir wurden auf Anfrage ein kostenloses Rezensionsexemplare von Buch und Hörboch von den Verlagen zur Verfügung gestellt.
Bilduqlle Autorbild: Leander Wattig [CC BY-SA 2.0], via Wikimedia Commons