Regina Schönleitner • Wortheldin Jänner 2018

Regina und ich sind seit Dezember 2016 auf Facebok befreundet. Und bis heute ist da viel passiert: So waren wir regelmäßig bei unserer Schreibgruppe „Die DienstagschreiberInnen“, haben zahlreiche Lesungen besucht (viele davon von Herrn Peichl) und bei der literarischen After Hour im Tischfußball oder Dart brilliert. Auch ein Ausflug in die Karaokebar zählte da 2017 dazu – im Oktober habe ich sie schließlich gefragt, ob sie beim Goldegg Book Slam die Rolle der Emily übernehmen möchte und mit mir als Noah meine 10 Minuten füllen möchte. Ihre beruhigende (und sehr humorvolle) Art, ihre berührende, ganz zarte Erzählstimme und ihre unglaubliches Talent, mit der Sprache umzugehen (wie man auf kommvorzone.com nachlesen kann), haben mich von Anfang an begeistert. Deshalb freut es mich besonders, sie als erste Wortheldin des frisch angebrochenen Jahres vorstellen zu dürfen.

1. Wer bist du und wenn ja, warum?

Ich bin die Summe vieler Einzelteile: Germanistik- und Musik-Studierte, dem Brotberuf nach seit Jahren an einem Gym in Wien unterrichtend; Singer-Songwriterin mit Leidenschaft und Unitrauma; nebenbei Schulbücher schreibend; lange Zeit in Bands und Radiostationen Ton angebend, derzeit zu ausgelastet, um außerhalb meiner 4 Wände laut von mir hören zu lassen;

Aus ganzer Seele Frau; intuitiv, lustvoll, sprunghaft, neugierig und mäßig diszipliniert, sanft und viel zu empathisch;

Weniger Quer-Denkerin als Nach-Fühlerin, deren Beziehung zu sich und anderen ihr am Herzen liegt. Das heißt nicht, konfliktlos und gefühlsduselig zu sein, doch formt das meinen Wanderweg zum Glück: Ehrliches, authentisches und achtsames Bewusst-Sein. Auf allen Ebenen.

Warum ich so bin, wie ich bin? Biographical histories. q.e.d.

2. Bist du das „Ich“ in deinen Texten?

Meist nicht. Und gleichzeitig komplett.

Schreiben ist für mich wie eine Kamera zu führen. Wie weit entfernt sind die Beobachter dem Dargestellten, wie nahe oder gar wie weit ins Innere der Situation hinein zoomst du? – Das sind die Parameter, die unbewusst immer mitlaufen, und oft aus der Intuition heraus bestimmt werden. Ich schreibe gern veranlasst durch eigene Erlebnisse, aber auch Beobachtungen, Gedanken, Er-kenn-tnisse, die nicht unbedingt auf persönlichen Erfahrungen oder Emotionen beruhen müssen. Oft auch einfach als Sprachspiel.

Mich hat es öfters irritiert, wenn Leser auf den Blogeintrag antworten mit „Willst du dich treffen, um zu reden?“, etc. Das zeigt, dass ich als Gefühlsperson von ihnen wahrgenommen werde – was mich sehr freut. Aber es heißt auch, dass ich noch wenig präsent bin als reine Autorenfigur. Daran muss ich noch arbeiten.

3. Welches Datum trägt dein allererster Text und warum fasziniert dich das Schreiben?

Mein Schreib-Beginn in verdichteter Form geht zurück auf ein konkretes Erlebnis. Eine Schularbeit der 6. Klasse, also als ich 15 war. Die erste beim neuen D-Lehrer – ja, Klischee erfüllt, ich war ein bisschen verliebt in ihn. Was aber der Mann wirklich konnte, war reizen, auffordern, provozieren.

Und bevor das jetzt zu hocherotisch wird: Mir ließen seine „Zeig dich mir“- Attacken keine Ruhe. Die Interpretation eines Bachmann-Gedichts schrieb ich im Tonfall meiner Tagebücher. Erlaubte mir die Offenheit, und siehe da, der Lehrer gab sich endlich zufrieden – und mir die heißersehnte Aufmerksamkeit. Und ab da viele sehr gute Noten, aber das war Nebensache.

Dem einmal Begonnenen blieb ich lange Zeit treu, schrieb immer nur für Schubladen. Mit der kommvorzone einher ging der Wunsch, parallel diese Dinge öffentlich zu schalten, und gleichzeitig ein neues Kapitel aufzuschlagen, mich zu erweitern. Aus meiner Komfortzone vorzukommen.

Ich schreibe, weil die Liebe zur sprachlichen Äußerung mich antreibt, hauptsächlich Lyrik, in der jede Silbe zählt. Das ist die große Parallele zur Musik. Jeder Ton schafft Neues, Dissonanzen, Harmonie, eine Dimension mehr, als wir zu hörensehen gewohnt sind. Dichtung hat für mich nicht umsonst mit Dichte zu tun, einer Intensität, der Prosa niemals gleichkommt. Wobei Prosa natürlich andre Dinge erlaubt, die in der Lyrik keinen Platz mehr finden. So hat alles vielerlei Gesichter.

4. Was kannst du nicht in Worte fassen?

Wut.
Ich lerne jetzt erst, zu artikulieren, wenn Wut in mir hochkocht.

Und derzeit gibt es so vieles, das Ärger in mir anstaut. Die derzeitige politische Situation; die Unbedarftheit vieler Mitmenschen; die Unwilligkeit so mancher, sich mit sich und den Vorgängen rund um sich zu beschäftigen; die mehr oder minder reale Machtlosigkeit in Anbetracht der weltpolitischen Vorgänge, naturschutzmäßige Belange.

Das soll jetzt nicht resignierend wirken, ich glaube an das Gewicht der Schneeflocke, und dennoch braucht es eine Zeit, bis die Lawine ins Rollen kommt. Und die vorherrschenden staatlichen Systeme sind darauf ausgerichtet, jenen, die die Lawine treffen sollte, rechtzeitig durch die Talschleuse zu helfen.

5. Wo kommen dir die besten Ideen?

In und auf dem Wasser – sei das beim Bootfahren, Thermenbesuch oder unter der Dusche. Und im Bett. Dort wälze ich die meisten Gedanken.

Das macht kooperatives Schreiben relativ … interessant. 🙂

6. Wer oder was inspiriert dich?

Das tägliche Leben, das Miteinander, nahestehende Personen, Fremde, die vielen Grauzonen zwischen Schwarz und Weiß, der weite Platz zwischen den Zeilen.

Hier besonders Wesen und Momente, die Gefühle wachrufen, positiver wie negativer Natur.

Was darüber hinausgeht: In letzter Zeit Mythologie – nordische, griechische, keltische und irische. Ich glaube, wir tendieren dazu, unsre Zeit und uns selbst oft viel zu wichtig zu nehmen. Diese Jahrtausende alten Sagen und Legenden reduzieren, machen bewusst, wie oft, wie lange vor uns, wie viele – Hunderte? – von Menschen schon in ähnlichen Situationen waren. Über diese Geschichten bleiben wir verbunden, jenseits von Zeit und Raum. Wir müssen sie nur erzählen, dann finden wir uns wieder im großen Ganzen.

7. Wie lange arbeitest du durchschnittlich an einem Text und hast du eher viele oder wenige Entwürfe in deinem Blog?

Eine „Durchschschnittslänge“ gibt’s bei mir überhaupt nicht.

Nehmen wir Engel: Der Text hat mich ihn in Sekunden schreiben lassen. Er war einfach da. Mitten im Bus, im Betrachten einer Szene, eines Mannes. … bis auf den Schluss. Das Gedicht war lange nicht vollständig, doch ich wollte ihm nichts aufzwingen. Ich musste warten. Lange. Dann war es – plötzlich da. Zwischen der ersten und der letzten Zeile liegen 15 Jahre.

Der Schreibprozess hat für mich zwei wichtige Stadien: 1. Flow. 2. Edit.

Im ersten darf die rechte Gehirnhälfte sich austoben. Es gibt kein falsch, wenn ein Wort so kommt, wie’s kommt, dann soll es jetzt hier stehen.

Im zweiten schalte ich den Reflexionsprozess dazwischen. Streiche, stelle um, durch-denke den Text. Zwischen den zwei Wegmarken müssenkönnensollendürfen mindestens ein, zwei Tage oder  – wie erwähnt schon – Jahre liegen.

Entwürfe in meinem Blog gibt es gar keinen. Das sind ver-äußerte Texte. Doch Wörter, Songs, kreatives „Schaffen“ empfinde ich als dauerhaft wandelbar. Die Worte, die ich nun benutze, um Dinge zu beschreiben, werden in 4-5 Jahren in mir eine andere Gewichtung besitzen, und so steht mir frei, sie zu ändern. Ein Lied, zweimal live gesungen, wird nie zweimal gleich klingen, und doch bleibt es das selbe Lied. Diese Dichotomie ist für mich kunstimmanent und der Vorteil der klanglichen Künste. Die lautliche Äußerung ist wandelbarer als der behauene Stein. Und warum nicht auch deren Vorteile ausspielen?

8. Leidet die Kreativität, wenn du glücklich bist – oder wenn du unglücklich bist?

Früher hat mich definitiv die Trauer ins Texten gebracht. Im Songwriting macht es das noch immer – eine Art von Seelenhygiene.

Seit einiger Zeit und besonders beim Bloggen ist dies anders. Ich kippe auch ins hektische Notieren, wenn ich vor Glückseligkeit platzen könnte, oder wenn mir einfach Dinge nicht mehr aus dem Kopf gehen.

Insofern gibt’s auf diese Frage hier ein klares „Nein“. Weil ich das auch mit einigen Freunden immer wieder diskutiere: Ich glaube auch, dass Kreativität sich von Gefühlslagen trennen MUSS, um rein zu sein.

Wenn ich immer nur produktiv bin, wenn mich das Unglück überkommt, werde ich eines Tages die Depressionen nähren, um mich verwirklichen zu können. – Das läuft in meinen Augen auf Verrat hinaus und ist ein Lebensprinzip, das ich persönlich nicht unterstützen kann.

9. Wenn du einen einzigen Text von dir mit auf eine Inseln mitnehmen würdest – welcher wäre das und warum?

Äußerst schwierige Frage.

Vermutlich „innehalt“, obwohl ich überhaupt kein Fan von Reimformen bin. Mich lässt der Text Frischluft im Schnabel und Aufwind unter den Flügeln spüren. Meine Version von: Einlassen – Zulassen – Loslassen.

10. Welche drei anderen literarischen Blogger beneidest du für ihre Sprache?

rotefadenbücher (https://rotefadenbuecher.wordpress.com/): Ein Blog, der mich in seiner Sprachgewalt mit jedem Eintrag voll und ganz erwischt. Guhl|Glaser hat ein unendliches Gespür für die „speziellen“ Worte, eröffnet per Fragment-Verrückung in jedem Text aufs neue zig inspirative Andockmöglichkeiten, und transportiert doch immer wieder eine ganz besondre Grundatmosphäre: rauchig, leicht abgefuckt und hochintelligent. Mein digitales Pendant zum Cafe Griensteidl…

(Gerade ergoogelt: Guhl|Glaser gibt’s auch haptisch: Druck 1)

seppolog (https://seppolog.com/): Fällt satirisches Bloggen auch unter „literarisches“ Bloggen? Sebastian Flotho ist ein Moderator, wie er im Buche steht. Seines Zeichens Plappermaul, Wortkreator und Eloquenzkanone. Zudem äußerst engagiert und produktiv. Gebt ihm ein Like – er wird euch zuspammen, versprochen! –  aber wirklich unterhaltsam.

Und natürlich Martin Peichl (https://verschreibungen.wordpress.com), den zu kennen ich als große Ehre empfinde, und dessen Texte mich stets aufs Neue in ihrem Humor und ihrer Tiefgründigkeit in Erstaunen versetzen. Aber am beachtenswertesten sind seine Hingabe, seine leidenschaftliche Zielstrebigkeit, seine Selbst-Öffnung. Ohne ihn hätte ich das Ganze hier vermutlich nie begonnen. Und somit niemals dich, lieber Dominik, kennengelernt. Ein allerherzlichstes Danke euch beiden! 😉


Hier findet ihr Regina im Netz:

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