Paradies. Ein Abriss

Wir waren gefangen in unserem selbsterbauten Paradies, blieben gefangen, in dieser wunderbaren Vorstellung von uns, die wir auf Buchrücken schreiben wollten, aber es nie wirklich taten. Wir waren die einsamen Insassen in unserem Paradies, waren Adam und Eva in unserem Gefängnis.

Dabei waren wir doch wie besessen, unser eigenes kleines Paradies hier zu bauen, unseren Mikrokosmos einzurichten mit all den Erlebnissen und Gedankenstücken, mit unseren zarten Küssen und den Nächten zu zweit. Wir fühlten uns sicher und sicherlich war es zuviel, das wussten wir natürlich. Aber es war doch immer noch unser Zuviel.

„Lass uns die Außenwelt in die Luft jagen“, habe ich gesagt, „weil nichts so schön sein könne wie unser Paradies“. Und das machten wir dann auch. Haben Mauern eingerissen und Menschen vertrieben, haben Brücken zerbombt und dabei lachend im Paradies den zahlreichen Explosionen gelauscht. Was waren wir nur dumm … aber wahrscheinlich waren wir wohl einfach nur verliebt. Und wir wissen es beide, das ist wohl die schrecklichste Form der Dummheit.

Es dauerte nicht lange und unser Paradies begann sein Aussehen zu verändern. Wir waren anfangs noch überrascht, dabei waren es wir doch, ihm die Unschuld raubten. Wir haben es uns zu eigen gemacht und haben es Stück für Stück auch mit Konflikten gefüllt. Als müssten wir nicht Acht geben. Als würden wir das alles später wieder renovieren können, mit nur ein paar Handgriffen und etwas zusätzlicher Zeit. In Wahrheit haben wir nie wieder eine Spachtel in die Hand genommen. Und nicht mal ansatzweise versucht, die Erde, in die sich bereits unser Ende verwurzelt hat, etwas aufzulockern. Das Tor zu unserem Paradies haben wir selber verschlossen und keiner von uns weiß, wohin er den Schüssel gegeben hat.

Nur einen Sommer lang hatten wir nur uns, hatten nur uns und dieses Paradies, hatten unsere Vorstellungen voneinander und unsere Erwartungen. Hatten Träume und Obsessionen, Und wir hatten definitiv keine Ahnung, wie brutal das alles werden würde. Wer denkt denn schon an das Ende in diesem Paradies? An das Ende und die Sintflut, an das Grollen des Donners und die zerstörende Kraft des Nichts.

Es klang alles so wundervoll. Zumindest für unsere Ohren: Wir haben die Gesellschaft verachtet, haben den Alltag gehasst, haben den Verpflichtungen abgeschworen und uns dabei Immer mehr verloren. Ein Leben ohne Alltag, bringt die dunkelsten Nächte hervor, ein Leben ohne Verpflichtungen ist der anarchische Versuch, irgendwann Nichts zu sein.

„Lass es bitte nicht einfach so verschwinden“, sagst du, als bereits der Großteil von uns längst nicht mehr sichtbar war. Und am Ende haben wir schließlich erkannt, dass es keine Trennung von Gut und Böse geben kann, nicht bei uns und nirgendwo anders. Dass all das Gute, das wir aneinander so liebten, in vielfach stärkerer Form als „das Böse“ in uns schlummert. Wir haben unser Gefängnis Paradies genannt und dachten wir wären klug, dabei liefen wir in unseren Zellen nur auf und ab, um der Utopie Leben einzuhauchen.

„Es tut das erste Mal weh, sagst du, aber ich weiß, dass das erst der Anfang ist und der Schmerz wohl nie wieder verschwinden wird. Da stehen wir nun und ich halte deine Hand. Wir schauen den Trümmern beim Einstürzen zu, als wäre es das normalste auf der Welt. Als wäre das hier nicht unser Paradies, das hier in Flammen aufgeht und zugleich dem Erdboden gleichgemacht wird. Dabei war ich es, der die Bagger bestellt bestellt hat. Nichts soll davon übrig bleiben, nichts soll mehr sein. Wir müssen ein Zeichen setzen. Um die anderen zu warnen. Um sie zu warnen, dass Paradiese sich oft als Gefängnisse entpuppen und die große Liebe meistens nicht mehr ist als ein kleiner Sommerflirt.

Dieser Text entstand am 25. April bei der Schreibgruppe „Die Dienstagsschreiber/innen“ im Reading Room.

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