Wiedersehen.

Ich habe eine Zeitung gefunden. Sie hat sich in der Pfütze vollgesogen, liegt nun schwer in meiner Hand, aber sie ist zumindest ein Anhaltspunkt. Beinahe hätte ich schon wieder begonnen, die Todesfälle, die Kriege, die Autounfälle und all die anderen Fixpunkte zu notieren, so wie ich es immer gemacht habe. So wie es sein sollte. Aber erstens habe ich keinen Notizzettel und keinen Kugelschreiber bei mir und zweitens tut all das jetzt gerade nichts mehr zur Sache. Ich sitze in einem wunderbar Park, zwischen unzähligen Bäumen und einer strahlend leuchtend grünen Wiese. Auf einer Bank, vollkommen allein. Es ist gerade erst Morgen. Es ist gerade erst wieder die Sonne aufgegangen, ich weiß nicht zum wie vielten Mal seit. Ich weiß nicht einmal seit wann eigentlich alles so anders geworden ist.

„Hallo?“ Ich drehe mich um und sehe dich. Wir haben uns nicht mehr gesehen, seit … ja, seit dem Kaffee damals. „Wo bist … wo treibst … was machst du denn hier?“ Überrascht und doch freudig blickst du mir entgegen, kommst auf mich zu und ich bin es nicht mehr gewohnt, jemand Bekannten zu treffen, jemand, der mir etwas wert ist, so jemanden wie dich. „Willst du es wirklich wissen?“ Du nickst. „Wir haben uns Sorgen gemacht.“, sagst du und meinst nur dich, aber du sprichst gerne von dir in der Mehrzahlform. Und ich überlege, wo ich beginnen soll, weiß nicht, was du erfahren darfst. Ich weiß es doch selbst nicht, was all die Tage zuvor passiert war. Nur die Notizen auf meiner Haut, die Manuskripte auf Lebendiges skizziert, geben mir etwas Halt. Und so beginne ich mit dem Ende.

„Ich … ich …“, ich ringe nach Worten, ordne die Gedanken, „… es stimmt etwas nicht mit mir. Ich schlafe nicht, oder eben doch. Ich wache an Orten auf, die ich nicht kenne, ich beschreite Wege, die mir nichts sagen und ich … ich …“, das Ringen geht weiter, „… ich träume. Aber das sind nicht meine Träume. Das ist das Leben von jemand anderen, ich sehe durch seine Augen, und es sind keine schönen Träume, es zeigt Abgründe, verstehst du.“ Ich warte keine Antwort ab. „Und diese Person habe ich getroffen, nicht gesehen, aber ich habe mit ihr gesprochen. Und sie sagt, sie sieht ähnliche Bilder auch von mir, in genau jenen Momenten, wo ich offenbar meine Wege beschreite um an unbekannten Orten aufzuwachen. Ich schlafe also vielleicht gar nicht, ich wandle. Ich wandle und habe keine Kontrolle. Ich … ich …“, das Ringen zum Abschluss, „Es stimmt etwas nicht mit mir.“

Du lachst nicht. Du glaubst nicht, dass das ein ganz schlechter Witz ist und ich mich mit einer verrückten Geschichte wieder bei dir zurückmelden will. Du siehst mich nur an und versuchst zu verstehen. Versuchst es und die Sonne sucht sich weiter den Weg zum Höhepunkt und ich kratze auf dem ältesten Schriftstück meiner Haut und warte auf eine Antwort.

Die bisherigen 19 Teile der Fortsetzungsgeschichte “Untitled Project” kann man hier nachlesen.

Bildquelle: Rajah / Pixabay

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