Ein zum Tode Verurteilter, ein Anwalt, eine unglaubliche Geschichte – ein typischer Stephen King … eigentlich.
Leonard Bradley ist der Pflichtverteidiger des in der Todeszelle sitzenden George Hallas. Er kennt den Fall und er weiß auch, dass Hallas nichts zu sagen pflegt. Das Urteil scheint er akzeptiert zu haben, um ein letztes Mal in Berufung zu gehen ist es zu spät und außerdem wäre es sowieso schwierig, zu begründen, warum dieser Mann, der ein halbes Dutzend Mal auf einen kleinen Jungen geschossen hatte, in einem Rechtssystem wie den USA nicht in der Todeszelle sitzen sollte. Und so macht Bradley einen seiner letzten Besuche vor der Giftspritze und zu seiner Überraschung beginnt Hallas zu erzählen. Über sein Leben, über seine Lieben, über den Schmerz, und über den kleinen Jungen, der immer da war.
Stephen King
geboren in 1947 in Portland/Maine, USA
Weitere Werke:
- Es
- Shining
Auf der Suche nach einer Lektüre für einen Viertagestrip bin ich auf das exklusive eBook „Böser kleiner Junge“ von Stephen King gestoßen. Mein zweiter King (nach „Shining“ mehr als einem halben Jahrzehnt) hatte Potential, aber die Kurzgeschichte ist leider, wie der Name schon sagt, zu kurz. Stephen King hat dieses Werk exklusiv auf deutsch und französisch veröffentlicht, um sich für den freundlichen Empfang bei seiner bislang ersten Lesereise in den beiden Ländern zu bedanken. Das Buch ist schnell ausgelesen, die angegebenen (rein imaginären) 60 (Print-)Seiten entsprechen nicht mal dem ganzen Buch, weil zusätzlich auch noch eine Leseprobe für „Doctor Sleep“ dazugepackt wurde.
In Hazel, der zwar schon älteren aber sehr weltoffenen Nachbarin (die übrigens immer bäckt), haben die drei eine Freundin gefunden, die mit Verständnis und Aufmerksamkeit, mit Freude und Weitsicht die Dinge verfolgt, die drei unterstützt und sich nicht auf das Geschwätz des Dorfes einlässt, auch wenn sie als Nachbarin wohl am Häufigsten nach den dreien gefragt wird. Und dann gibt es noch Kathy, Ted und Lindsay. Man wird in das Leben der Bewohner des Seehauses hineingezogen, stellt sich Fragen zu den Persönlichkeiten und bekommt manchmal (aber nicht immer) Antworten. Das Faszinierende an der Geschichte ist wohl, dass die Liebe der dreien grundsätzlich ohne Probleme vonstatten geht, die Umwelt aber diese ungewohnte Lebens- und Liebesweise nicht akzeptieren will oder kann.
„George Hallas sitzt im Gefängnis. In einer Woche soll das Todesurteil an ihm vollstreckt werden. Lange Zeit hat er geschwiegen, aber nun öffnet er sich seinem Pflichtverteidiger Leonard Bradley. Er erzählt ihm, wie es zu seiner grässlichen Tat kam. Für Bradley wird das Eingeständnis schließlich gespenstische Folgen haben.“ So lautet die offizielle Buchbeschreibung auf Amazon. Und gerade der letzte Satz hat große Hoffnung entstehen lassen: Shining hat mir gefallen, es war spannend, verstörend, überraschend. Und auch „Böser kleiner Junge“ baut sich wunderbar auf, es wird spannender, man wartet auf die Auflösung, wird verwirrt. Die gespenstischen Folgen jedoch sind so wenig überraschend wie die späteren Filme von M. Night Shyamalan. Keine Gänsehaut, keine wirklich Überraschung, kein Horror.
„Der böse kleine Junge war hinter den Menschen her, die mir nahe waren“, sagte Hallas.
Bradley nickte. Ganz offensichtlich glaubte Hallas, was er da erzählte. Hätte er diese Geschichte vor Gericht vorgetragen, wäre er zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt worden, anstatt im Nadelpalast zu enden.
Und so ist „Böser kleiner Junge“ anfangs ein spannender Stephen King, später eine halbwegs große Enttäuschung. Das Ende war erwartbar und hätte eine viel größere Ausführung benötigt. Das hat uns King aber offenbar nicht vergönnt. Somit nur bedingt empfehlenswert.
Stephen King
Böser kleiner Junge
Heyne
Preis ebook: 1,99 Euro (Info zu Partnerlinks)
60 Seiten (geschätzt)