Wann wird es endlich wieder so, wie es nie war • Joachim Meyerhoff

Wie es ist, inmitten Hunderter geistig und körperlich behinderter Menschen aufzuwachsen.

Was ist das für eine Kindheit, wenn der Vater Psychiatriedirektor ist und das Haus, in dem man aufzuwachsen gewillt ist, mitten am Gelände der Anstalt steht? Wie ist es, wenn man mit Hunderten „Hirnis“ per du ist? Und was sind nur die Gründe für seine vollkommenen Ausraster? Seine zwei größeren Brüder machen es ihm nicht leicht, seine Mutter umsorgt sie alle, der Vater leitet. Liest sich in Themen ein, um danach theoretischer Experte zu sein und dann an der Praxis zu scheitern. Und das eine Mal, als Joachim einen toten Rentner inmitten eines Schrebergarten liegen sieht und so für kurze Zeit zum Star in der Schulklasse avancierte.

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Joachim Meyerhoff
geboren 1967 in Homburg, aufgewachsen in Schleswig

Weitere Werke:

Joachim Meyerhoff erzählt eine Geschichte, die so unglaublich und doch so nah am Leben ist, so lustig wie auch berührend. Vollkommen egal, ob es zu 100% autobiografisch ist (worüber manche rätseln), aber selten hat eine Coming-of-Age-Geschichte so viel Spaß gemacht. Wahrscheinlich, weil auch niemand das Setting einer psychiatrischen Anstalt zu bieten hatte. Im zweiten Teil seines sechsteiligen Erzählzyklus „Alle Toten fliegen hoch“ geht, anders als in Amerika nicht um ein Jahr in Meyerhoffs Leben, sondern um das komplette Heranwachsen. Das Stolpern über die eigenen Erwartungen, das erste Verliebtsein, das erste Mal jemand beim Sex unabsichtlich beobachten. Und dazwischen so großartige Geschichten wie die Bruderschaft mit seinem Hund, die eine Blutspur durchs ganze Haus hinterließ.

Meiner Meinung nach liegt Meyerhoffs Stärke darin, jene Bilder, die man (jeder von uns) von seinen Eltern hatte, nach und nach die goldene Schicht abzieht. Sie sind keine Götter, und in Wahrheit vielleicht nicht einmal die besten Menschen. Das zu verfolgen ist spannend, geschieht einfühlsam und haut einen innerlich mehrfach um. Und dann überzeugt auch noch die Leichtigkeit, mit der Meyerhoff über seine Freunde auf dem Psychiatriegelände schreibt. Bezeichnungen, die nach heutiger Political Correctness nicht mehr benutzbar sind, waren für die drei Geschwister völlig normal, weil sie auch niemanden beleidigten. Sondern einfach nur das Anderssein dieser Menschen zu beschreiben versuchte.

Er hat auf diesem Gelände in seiner Kindheit viele Freunde gefunden. Die Familie lud sogar stets drei Patienten ein, gemeinsam mit ihnen Weihnachten zu feiern. Er hatte keine Berührungsängste, das Schreien in der Nacht war sein Gute-Nacht-Gesang, und das Läutern der Glocken von einem Patienten, der stets mit großer Glocke für Aufmerksamkeit sorgte.

Doch dann, von einem Tag auf den anderen, war der Glöckler plötzlich verschwunden. Auf meinem Schulweg hielt ich Ausschau nach ihm, horchte in die Schreie, den Wind hinein. Keine Glocken zu hören. Das Fehlen des Bimmelns beunruhigte mich. Tagelang versuchte ich, aus der ohnehin gewaltigen Geräuschkulisse ein Läuten herauszulauschen. Nichts.

Hätte ich mehr Zeit gehabt, hätte ich es wohl in einem Zug ausgelesen. Ich war auch schon beinahe zur Meinung gekommen, dass das Erstlingswerk besser sei, da ich bei diesem Buch immer wieder stocke. Als ich mir aber Zeit nahm, eine ganze Zugfahrt lang, habe ich über einhundert Seiten auf einmal und das Buch damit zu Ende gelesen. Und es hat mich gefesselt, hat mich berührt, ich habe geschmunzelt, und bin gegen Ende hin plötzlich ganz ruhig geworden. Joachim Meyerhoff hat eine unglaubliche Vergangenheit und kann noch dazu bezaubernd mit Worten umgehen. Ich freue mich schon auf den nächsten Teil seines Erzählzyklus. Kann es in Wahrheit eigentlich schon gar nicht mehr erwarten.

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Joachim Meyerhoff

Wann wird es endlich wieder so, wie es nie war

Kiepenhauer & Witsch

Preis: 20,60 Euro (ebook: 17,99 Euro) (Info zu Partnerlinks)
352 Seiten
ISBN: 978-3-462-04516-1

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