Cola.

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Meine Nase ist nicht gebrochen. Eine Rettungssanitäterin hat es sich angeschaut, als der Tatort schon fast wieder Geschichte war. Sie hat mich angesehen und mein blutgetränktes geliehenes Taschentuch, und hat sich zu mir gekniet. „Was ist Ihnen denn passiert?“, fragt sie freundlich und besorgt und ich sage nur „Das wüsste ich auch gern.“ Irgendwann hört die Nase völlig zu bluten auf. Ich habe sie mir geprellt, erklärt sie mir. „Im Schlaf?“, wiederholt sie fragend und ich nicke nur. Nach meiner Behandlung verabschiedet sie sich und ich bin so ratlos wie niemals zuvor.

Wollte der Mörder auch mich umbringen? Hat er zuerst den Arzt getötet, ist dann auf der Flucht über meine Beine gestolpert oder ist mir einfach auf den Kopf gestiegen? Aber nein, mein neuer Freund hat es mir ja gesagt: Ich habe die Bewegungen ausgeführt, ich habe selbst mein Gesicht fest aufgeschlagen. „Ich bringe dir so bald wie möglich ein neues Taschentuch vorbei, okay?“, sage ich beim Verabschieden und er schüttelt nur den Kopf „Kein Ding. Aber kleb dir lieber ein paar Polster ins Gesicht bevor du Schlafen gehst.“ Wir lachen. Ein ungewohntes Gefühl.

Was eigentlich, wenn die Welt zugrunde geht? Wenn ich sozusagen als Early Adopter diesen Untergang am eigenen Leib erlebe – und sobald die Betaphase vorbei ist, werden alle ein solches Leben führen wie ich. Nicht mehr schlafen können und es doch tun, an einem Ort einschlafen, am anderen aufwachen. Mit fehlenden Erinnerungen, ohne Rhythmus und irgendwann bekommen sie alle die Erfahrung, dass ihre Träume nicht die ihren sind? Was wäre dann eigentlich. Wäre ich da bereits tot?

Ich gehe an einem Café vorbei. Die Menschen lachen, unterhalten sich, als wäre es egal, dass da nebenan ein offenbar sehr angesehener Arzt getötet wurde. Mein Mund ist trocken, Blut ist das letzte, das ich getrunken habe. Dabei hätte ich so Lust auf ein Cola. Doch ohne Geld … ich fasse in meine Hosentaschen und finde dort wieder einmal Münzen. Ungefähr der Preis einer Cola. Ich weiß noch immer nicht was los ist.

Aber ich höre die Menschen reden. Dass er noch schwach geatmet habe, aber es habe nicht mehr viel gefehlt. Dass er zwar noch in Lebensgefahr schwebe, aber wenigstens sei er nicht tot. Dass die Polizei kaum Spuren gefunden hat und dass ein Kriseninterventionsteam immer noch die Sprechstundenhilfe betreue. Die Menschen sind nicht nur schaulustig, sondern redebedürftig.

Der Kellner bringt das Cola, ich bezahle gleich und warte. Alles wird sich schon ergeben, alles wird wieder gut, oder wenigstens werde ich bald sterben. Ich versuche es zu genießen, aber das Cola ist in wenigen Schlücken leer. Ich sollte wieder nach Lösungen suchen. Aber zuvor setze ich mich in dem Café auf das einzige freie Männerklo. Ich versuche zu kombinieren, suche meinen Körper nach Notizen ab, aber der Schweiß, die Tage, sie alle haben meine Kugelschreiberinfos auf meiner Haut verschwinden lassen. Ich atme tief ein und.

„Danke.“ Er blickt sich um, um auszumachen, wer mit ihm redet. „Ich bin es, beruhige dich. Du siehst durch meine Augen. Ich wollte danke sagen. Du hast ihn gerettet, weißt du? Ich hätte ihn getötet und frag mich nicht warum. Ich weiß es nicht. Ich hatte keine Kontrolle, wie du vielleicht gesehen hast. Du hast den Traum beendet, du bist bewusst aus ihm verschwunden, bevor ich ihn wirklich umbringen konnte. Danke, Mann. Verdammt nochmal, vielen, vielen Dank.“

Dies ist ein Teil meiner Forsetzungsgeschichte „Untitled Project

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