Bereu mich.

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„Was willst du denn für mich sein?“, stell ich mir vor, dass du mich fragst, während ich einen Schluck von meinem Bier nehme und mir gleich danach die einhundertste Zigarette anzünde an diesem Abend. „Dein größter Fehler“, würde ich dir antworten, hättest du die Frage jemals gestellt, „Das möchte ich für dich sein.“ Und du würdest lachen, weil du es noch nicht siehst, aber ich würde dir ganz ernst in die Augen blicken, während ich gezielt regelmäßig meine Zigarette abäschere und immer wieder mal einen Schluck von meinem Bier nehme. „Ich will, dass du es bereust. Dass du mich bereust.“

Du kommst zurück von der Toilette, hast dich vorhin entschuldigt und bist verschwunden, ich war versunken, in meinen Gedanken, war verschwunden in dieser Welt. Du erweckst mich aus dieser Trance, erweckst den Tiger in mir, doch ich bleibe zahm, ganz ruhig, nehme einen Schluck und sehe dir tief in die Augen. Was für ein Abend und was für eine Nacht und was für ein Morgen schon. Wir sind weitergezogen, das sind wir, wie Nomaden. Haben die Bars und die Stadt und die Nacht und die Welt gewechselt, als wäre das alles nur ein Baukastentraum, bei der wir jede Zutat ganz bewusst ausgewählt hätten. Meine Jacke steht dir gut, sie steht dir viel besser als mir, ich möcht sie dir schenken, zünde mir die einhunderterste Zigarette an, lege einen Zehner auf den Tisch, nehm deine Hand und ziehe dich hinaus, und der Kellner schreit uns noch nach, bevor er das Geld am Tisch sieht, und das Bier ist zu Ende und die Zigarette der Anfang.

„Dann würdest du mich nie vergessen, weißt du“, hätte ich unsere Konversation von vorher fortgesetzt, hätte sie jemals stattgefunden und wärst du in dem Moment nicht gerade auf der Toilette gewesen und ich in Trance. „Ich will, dass du mich mit einer Emotion verbindest, weißt du? Nur Emotionen ketten unsere Erinnerungen an uns fest. Und es wird dir wohl leicht fallen, es zu bereuen“, würde ich sagen und dabei fast ein wenig traurig dabei klingen, aber ich meine es ernst. Weil es zu Ende gehen wird, weil die Welt es nie gut mit mir meint und ich mein das auch gar nicht so negativ, all good things come to an end, das weiß ich doch schon und will es nicht wissen. Aber wenn schon, dann möchte ich wenigstens Eindruck hinterlassen. Du sollst bitte noch an mich denken, hin und wieder einmal, wenn du endlich die große Liebe gefunden oder die Suche bereits aufgegeben hast. Ich möcht noch bleiben, selbst als bereute Erinnerung.

„Komm mit“, sag ich in jenem Gespräch, das auch wirklich stattfindet, das nicht ganz so rund läuft, wie das in meinem Kopf, aber das ist doch immer so. Bei so Menschen wie dir mache ich mir immer zu viel Gedanken. Will nichts Falsches sagen, nichts Falsches tun, will so ein perfektioniertes Unding von mir sein, dem ich nie mehr wieder gerecht werden kann. Dabei will ich doch all diese Fehler machen, ich will doch auch bereuen, so vieles, will mich für dich zum Idioten machen. Aber stattdessen wähle ich ganz bedacht meine Worte, um dich nicht zu verschrecken und um meine große Panik zu verdecken. „Komm mit, meine Liebe.“ Wir laufen runter zur Donau, denn ich will den Sonnenaufgang sehen und irgendwie sind Sonnenaufgänge vor allem in Verbindung mit Gewässern cool. Und wir sitzen auf dieser Parkbank, zwei Dosen Bier in der Hand, die wir uns noch beim Würstelstand gekauft haben und abwechselnd rauchen wir die einhundertzweite Zigarette gemeinsam, es ist die letzte aus dem Päckchen. Die Sonne kitzelt mich und kitzelt dich, du lehnst deinen Kopf auf meine Schulter und ich wage kaum noch zu atmen, damit ich mich so wenig wie möglich bewege. Ich küsse deine Stirn. Hoffentlich bereust du mich schon.

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