Die Geschichte von Maria läuft in die verkehrte Richtung. Und ermöglicht ihr so eine Flucht aus den Ruinen ihrer Existenz.
Maria hat kein Geld mehr und keinen Job. Der Arbeitsmarktservice hat ihr für einen Monat bereits das Geld gesperrt. Die Einsamkeit nimmt Überhand. Ihr Mann Walter ist gestorben und ihren Job bei Moden Willert hat sie nach Jahrzehnten verloren. Und ihre Zwangsneurosen sind auch stärker geworden. Und Otto hat den Winter im Kühlschrank auch nicht überlebt. Fangen wir von hinten an.
Anna Weidenholzer
geboren 1984 in Linz, lebt in Wien
Bildquelle: (c) Lukas Beck
Bisheriges Werk:
- Der Platz des Hundes (2010)
Weidenholzer erzählt die Geschichte von Maria von Kapitel 54 weg, hin zu Kapitel 1. Man lernt Maria kennen, am Tiefpunkt ihres Lebens, und geht mit ihr auf die Suche nach jenen Abzweigungen, wo sie in ihrem Leben falsch abgebogen ist. Man leidet mit ihr mit, möchte sie manchmal schütteln und ihr zeigen, dass alles vielleicht gar nicht so schlimm ist. Und irgendwann erkennt man, dass die Abzweigungen genau so auch von uns allen hätten gewählt werden können. Die Heirat des Falschen, der „einfache“ Job als Verkäuferin anstatt der Versuch einer Traumerfüllung als Sängerin, und dann schließlich der Verlust ihres Jobs, weil junge Frauen ihren Job offenbar besser erledigen können, oder zumindest billiger. Und vor dieser unsäglichen Einsamkeit ist in Wahrheit niemand sicher.
So verwirrend die Geschichte zu Anfang auch ist – irgendwie war ich zu Beginn damit überfordert, die vielen Namen zuzuordnen, die erst in den kommenden Kapiteln erklärt wurden. Im Laufe der Zeit eröffnet sich ein traurige kleine Welt, wie sie wohl tausendfach in Österreich existiert. Weidenholzer stellt nichts wirklich schöner da, macht aber auch kein Drama daraus. Sie erzählt einfach eine Geschichte einer Frau, wie es eigentlich niemandem gehen sollte.
Maria wischt ihre Hände an der Hose ab, sie reibt sie aneinander, sie wischt sie wieder ab. Ist Ihnen kalt, könnte jemand fragen, aber niemand ist da, als Maria den Vorraum durchquere. Maria würde nicht erzählen, dass sie keine kalten Hände, dass sie keine feuchten Hände haben möchte, weil ein Händedruck die Seele eines Menschen weitergibt.
Anna Weidenholzer hat mit Der Winter tut den Fischen gut ein interessantes Werk zu einem sehr aktuellen Thema geschrieben. Der Weg in die Arbeitslosigkeit und der aussichtslose Weg raus wirkt so unglaublich ernüchternd, dass man mit der Protagonistin tiefstes Mitleid empfindet und sie einfach mal an der Hand nehmen möchte. Die Sprache ist wunderbar zu lesen, der Verzicht auf Anführungszeichen ist zwar zu Beginn störend, trägt aber schließlich zum guten Lesefluss bei. Dieses Buch wirkst sehr nah am Leben, daher auch eine Leseempfehlung für das Werk der Linzer Autorin.
Anna Weidenholzer
Der Winter tut den Fischen gut
Residenz Verlag
Preis: 21,90 Euro (ebook: 12,99 Euro) (Info zu Partnerlinks)
234 Seiten
ISBN: 978-3-7017-1583-1