Herr Leitner mag Weihnachten

Ostern ist eine ganz nette Sache, vor allem wenn man Eier mag. Der eigene Geburtstag ist auch ganz schön, weil es an diesem einen Tag offiziell alles nur um mich dreht. Aber von all den kirchlichen und weltlichen Feiertagen gefällt mir Weihnachten am Besten. Nicht, weil man von allen Seiten mit Geschenken beworfen wird, sondern – und das wurde mir auch erst in den letzten Jahren bewusst – weil es ein Fest für die Familie ist.

Meine ersten Erinnerungen an Weihnachten beschränken sich auf den Zeitpunkt, als man sagte, wir Kinder sollten mal kurz in die Stube gehen, weil es schon erste Berichte gäbe, das Christkind sei in der Gegend. Und das möchte ja ungern bei frischer Tat ertappt werden. Und erst das Klingeln, wie ich anfangs noch glaube, vom Christkind selbst betätigt, holte uns zurück ins Zimmer. Und mit leuchtenden Augen sahen wir zuerst den Christbaum mit all den brennenden Kerzen, den funkensprühenden Wunderkerzen und schließlich die schier unendliche Masse an Geschenken. Ein paar Jahre darauf, bemerkte ich, dass nach dem Wiederkommen ins Bescherungszimmer plötzlich eine kleine Glocke neben einem der Erwachsenen stand. Noch ein paar Jahre darauf erkannte ich schließlich, dass das kein Zufall sein konnte.

Weihnachten

Vielleicht muss ich noch die Rahmenbedingungen deutlich machen. Ungefähr zwanzig Jahre meines Lebens habe ich Weihnachten in einer großen Familienzusammenkunft gefeiert. Bei Oma und Opa (solange er noch lebte, natürlich), mit Tante und Onkel, Cousin und Cousine, meiner eigenen Schwester und natürlich meinen Eltern. Zum Essen gab es nichts Besonderes: Bratwürstel mit Sauerkraut und Semmerl. Ich finde es immer lustig, wenn andere Menschen von exquisiten Speisen am Heiligen Abend erzählten. Denn in Wahrheit kann nichts so gut sein, wie diese Bratwürstel an diesem Abend. Ein einziges Jahr gab es mal einen Fisch – klar, er war köstlich, aber das war ganz einfach nicht das Richtige. Also kamen im Jahr darauf natürlich die Würstel zurück.

Das Lustige ist, dass die ersten Geschenke in Relation zu meiner Körpergröße immens waren. Die Nicht-Carrera-Rennbahn, die kleine Werkbank, an der ich mich wochenlang an meinen Laubsägewerken versuchte, der Super Nintendo, der meiner Schwester und mir jahrelang glücklich zur Seite stand (auch wenn wir – all die Jahre – nur ein Spiel hatten). Mit der Zeit wurden entweder meine Wünsche kleiner, oder ich war es, der einen Wachstumsschub erlebte. In den letzten paar Jahren war es schließlich so, dass mir nichts wirklich wünschte. Nichts Materielles. Bekommen habe ich dann natürlich trotzdem was, weil meine Mama die Vorstellung nicht ertragen konnte, dass ich nach der Bescherung geschenkelos dasitzen würde. Dann wünscht man sich halt eben wieder was.

Ich übernahm übrigens auch schon sehr früh eine der wichtigsten Aufgaben am Bescherungsabend: Die Lesung des Weihnachtsevangeliums, Lukas 2,1. Die ersten Male waren es noch meine Cousine und mein Cousin, aber schon bald meine Cousine und ich, später meine Schwester und ich und schließlich nur noch ich. Es war offenbar keine Aufgabe, um die sich alle gerissen haben, aber wer mich kennt, weiß, dass Veränderungen nicht gerade zu meinem Wohle sind. Daher habe ich es gemacht und heutzutage ist spätestens das der Zeitpunkt, wo ich so richtig in Weihnachtsstimmung komme. Zugegeben: etwas spät, aber immerhin.

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Irgendwann kam aber dann dieses Weihnachten, auf das keiner wirklich Lust hatte. Weil niemandem nach Feiern zumute war, obwohl unsere Familie in diesem Jahr enger zusammen war, als jemals zuvor und auch danach. Wir hatten jemanden erst vor weniger als zwei Monaten verabschieden müssen, der in diesem Jahr das erste richtige Weihnachten miterleben hätte sollten. Mit leuchtenden Kinderaugen und allem drum und dran. Zwischenzeitlich stand sogar die Fahrt zu meiner Oma in Frage – aber ich forderte es ein. Wie sonst hätten wir Weihnachten feiern sollen? Ohne Baum, ohne irgendwas? Natürlich fahren wir rüber, ich lese wie immer mein Weihnachtsevangelium vor, meine Tante liest eine Geschichte, auf Wunsch meiner Oma beten wir etwas. Und natürlich wurde geweint, es gab sehr, sehr stille Momente, aber Momente gemeinsam mit der ganzen Familie. Später dankte mir meine Mama dafür, dass ich da so stark drauf gepocht habe. Aber ihr wisst ja: Veränderungen sind eben nicht so meine Sache.

Irgendwann feierten wir nicht mehr bei meiner Oma. Zwar etwas ungewohnt, aber doch schön. Nur mein Papa, meine Mama, meine Schwester und ich. Ich, der das Weihnachtsevangelium vom Tablet runterliest, ich der als Einziger halbwegs singen kann und deshalb die Weihnachtslieder anstimmen muss und ich, der sich auch heute noch unglaublich auf die Bratwürstel mit Sauerkraut und Semmeln freut. Weihnachten ist ein tolles Fest, auch abseits jeglichen Glaubens: Wenn man sich Zeit für die Familie nimmt, versucht, mit seiner Schwester mal die kurze Zeit nicht zu streiten, wenn man sich schon einige Zeit zuvor Gedanken über Geschenke machen kann. Das hat was. Und das Tolle daran ist: Nach Ostern und Geburtstag gehts meist gleich weiter – aber nach dem Heiligen Abend stehen für mich noch zwei wunderbare Wochen an. Inklusive Jahreswechsel, Vorsätzen und neuen Träumen. Eine tolle Zeit. (Und die Tage werden auch ja auch wieder länger.)

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