Auf See • Michaela Maria Müller

Menschen fliehen, weil sie sich bedroht fühlen, weil sie Angst haben, weil sie in ständiger Gefahr leben. „Auf See“ erzählt eine solche Fluchtgeschichte.

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Ayan und Samir sind ein Paar aus Somalia. Sie lieben sich, erwarten ein Kind und wollen eigentlich in ihrem Land bleiben. So gebeutelt es auch von Jahren des Bürgerkriegs auch ist, es ist ihre Heimat. Samir gibt seinen Beruf als Fischer auf, um in einer entfernten Stadt so viel Geld zu verdienen, um seiner jungen Familie ein gutes Leben zu ermöglichen. Ayan arbeitet als Übersetzerin und lernt dabei Zahra kennen, eine Amerikanerin, die als Soldatin in ihr Herkunftsland zurückkam und nun bei Ayan die Sprache lernte.

Irgendwann verschwindet dann Samir, irgendwann beginnen die Drohungen gegen Ayan. Irgendwann verschwindet auch Zahra. Da bleibt für Ayan nur mehr die Möglichkeit einer Flucht. In einem Flüchtlingsheim bringt sie ihr Kind zur Welt, aber der Weg würde noch ein weiter sein. Ihr Ziel: Der sichere Hafen Europas.

Christian.Kielmann.Michaela.Maria.Mueller

Michaela Maria Müller
geboren in Dachau, Deutschland

schreibt als Journalistin und Autorin für die Frankfurter Allgemeine Zeitung, die Süddeutsche Zeitung und das SZ Magazin. Sie bloggt auf www.vitzliputzli.de.

Dass in Syrien Krieg herrscht, das wissen wir alle. Aber selbst mit diesen Flüchtlingen tut sich Europa schon schwer, Plätze zu finden. Aber über Somalia wissen wir Europäer meist nur sehr, sehr wenig. Deshalb freut es mich, dass die Autorin sich auf ein Paar aus diesem Land konzentriert hat – einfach um zu zeigen, wie viele Krisenherde es weltweit gibt. Aber auch, um mit Fakten aufzubereiten, wie (in diesem Beispiel) Deutschland beteiligt war, dass jahrelanger Bürgerkrieg stattfinden konnte.

Diese Mischung aus Erzählung und Fakten, diese Geschichte, die man fast als Reportage tarnen könnte, sie zeigt die Gründe der Flucht, die Form der Flucht, sie zeigt Armut und Hoffnung, sie zeigt Träume und Gefängnis. Das Werk könnte eine Anklage sein, ein Vorwurf an Europa. Das ist zwar in gewisser Weise auch, doch schreibt Müller nie mit erhobenem Zeigefinger. Sie lässt den Leser entscheiden: Wäre man geblieben oder geflohen? Würde man, um seiner jungen Familie ein Leben zu ermöglichen, Jobs annehmen, die mitunter gefährlich sind? Was würde man für den Traum, in Frieden zu leben, in Kauf nehmen? Und wie nachvollziehbar und verständlich sind die Verkettungen Deutschlands mit dem Land?

Auch die fünfhundert Parlamentarier Somalias wohnten fast alle  außer Landes in Nairobi. Nur unter Sicherheitsvorkehrungen wurden sie zu den Parlamentssitzungen nach Mogadischu gebracht.  Ayan hatte einmal gesehen, wie sich die Abgeordneten vor dem  Parlamentsgebäude, das auf einer Anhöhe stand, aus den gepanzerten  Wagen herausschälten und die Treppen hinaufhasteten.  Dabei kamen sie nur, um zu streiten. Jeder wusste es besser.

Schon das sehr kurze Essay Vor Lampedusa hat mich damals berührt – in Auf See findet man es als erstes Kapitel wieder. Die Geschichte von Ayan und Samir zeigt recht eindrücklich, wie es nicht der „reine“ Wunsch nach einem besseren Leben ist, der sie flüchten lässt. Es ist die Angst, es ist die Verfolgung, die Drohungen, es ist die ständige Unsicherheit, die Gefahr. Michaela Maria Müller hat glücklicherweise auch noch geschichtliche und gut recherchierte Fakten über Mogadischu in eigenen Kapiteln eingefügt, damit der Leser sich selbst ein Bild machen kann. Am Ende des Buches bin ich schließlich dann doch etwas enttäuscht: Denn die große Frage bleibt unbeantwortet. Gibt es ein Leben, gibt es eine Zukunft in Europa? Aber wenn man nach der Lektüre eines Buches nach mehr giert, ist das ja keine schlechte Sache. Vielleicht entschließt sich Frau Müller ja dazu, in einem kommenden Werk das Europa der „Flüchtlingskrise“ anhand zweier Menschen zu portraitieren.

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Michaela Maria Müller

Auf See

Verlag Frohmann

Preis: 19,90 Euro (gebunden) 5,99 Euro (eBook), alle Bezugsquellen auf der Frohmann-Seite
147 Seiten

Transparenz: Mir wurde auf Anfrage ein kostenloses digitales Rezensionsexemplar vom Verlag zur Verfügung gestellt.

Bildquelle des Autorenbilds: © Christian Kielmann (mit freundlicher Genehmigung von Michaela Maria Müller)

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