Fuck, das Leben ist schön!

Die Sehnsucht war zu groß geworden, wir wollen sie heilen. Wir wollten das Alltagsgrau nicht mehr, deswegen hatten wir neue Farbkästen gekauft. Alltagsgrau in Meerblau, Häusergrau in Himmelblau, Gedankengrau in Ozeanblau. Den Kofferraum brachten wir kaum mehr zu, wir hatten ihn bis oben hin vollgestopft, unsere ganzen Lieblingsbücher hatten wir mitgenommen, die halbe Bibliothek ausgeräumt, wir wollten ewig bleiben. In einen Korb hatten wir Kaffee in Thermoskannen verpackt, Pausenbrote, als wären wir Schuljungen, Kekse, Zigaretten, Wasser und Saft. Das Handschuhfach war voll mit Süßigkeiten gepackt, wir waren noch nicht alt, gerade alt genug.

Es regnete, als wir losfuhren, die Nacht war ruhiger als sonst. Die Tropfen schlugen behäbig an die Fensterscheiben, im Radio hatten wir The Streets. Wir hatten bereits eine Vorahnung wie das Meer sein würde, die Tropfen flüsterten es uns an die Scheiben. Es war so schön dir beim Schlafen zuzusehen, du sahst so zufrieden aus. Dein Mund war leicht geöffnet, manchmal bewegten sich deine Lippen lautlos. Du hattest immer etwas im Schlaf gemurmelt und du sahst so niedlich aus, wie du deine Hände zu Fäuste geballt in deine Westentasche gesteckt hattest, die Füße verschränkt, deinen Kopf seitlich gelehnt.  Durch die Bodenwelle warst du wach geworden. Ich erzählte dir, dass wir die Grenze passiert hatten, obwohl das gar nicht wahr war. Du hattest es erkannt und musstest unweigerlich verschmilzt grinsen.

Grenzen muss man fühlen.

Deine Hand griff zur Kaffeekanne und danach auf deine Zunge, du hattest sie dir verbrannt. Ich sah dich mitleidig an, aber ein Grinsen konnte ich mir nicht verkneifen. Wir lachten und du wolltest mir auch ein Schluck abgeben, damit mir die Schadenfreude vergeht, aber du schimpftest nur wie ein Rohrspatz, weil ich nicht trinken wollte. Verdammt, war ich glücklich mit dir! Deine Hand wanderte nun zum Radio, du drehtest so laut als es dir nur möglich war, es war unser Lieblingslied, wir kurbelten die Fenster hinunter, wir drehten durch und kreischten, fuck, das Leben war schön.

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Von weitem konnten wir das Meer sehen, auch das Meer war so schön. Innerlich wussten wir, dass es sich nur mehr lohnte für die Sehnsucht und Begeisterung zu leben, unsere Eltern hatten sich bereits die Freiheit und Unabhängigkeit unter den Nagel gerissen. Das Auto stand bereits mitten am Steinestrand, die Schuhe zogen wir aus und wir liefen so schnell wir konnten zum Meer. Die Füße taten uns weh, die Steine drückten sich so in unsere Fußsohlen, aber es war uns so verdammt egal, Grenzen muss man fühlen. Wir waren im Meer, wir spritzen uns voll, wir tauchten ein, wir schluckten das Wasser, das Salz brannte uns in den Augen und in der Nase, Grenzen muss man fühlen, wir waren unsere eigene Grenze.

Die Sonne kokettierte mit dem Horizont, lies sich schließlich nicht zweimal bitten und ging dann langsam auf. Sie war heute so schön, die Sonne, der Horizont schien ihre Perlenkette zu sein, sie glitzerte und schimmerte, so als trüge sie die Kette zum ersten Mal.

Ich hatte mich an dich geschmiegt, wir lagen nun da, aneinander gekuschelt, am harten Steinestrand, und wir schwören, sogar die Steine waren blau. Du hattest deine Finger in meinen Haaren vergraben, festhalten, Erinnerungen, Menschen, Hände, festhalten. Alles festhalten.

Im orange-blauen Himmel  kreischten die Möwen, der Wind verwehte bereits die ersten einzelnen Blätter, die von den Sträuchern gefallen waren. Das Leben roch soviel nach Meer,  es stand uns eine sonnige Zukunft bevor. Endlich. Wir machten Fotos mit den Handys, wir machten Erinnerungen, wir wollten alles festhalten, wenn wir uns nicht festhalten konnten. Die Angst des Scheiterns saß uns immer im Nacken, scheitern war nur etwas für mutige Leute und mutig waren wir beide nicht sonderlich.

Du löstest dich von mir, hüpftest verwegen zurück bis zum Auto und kamst zurück mit den Schuhen, einer Decke und unserem Korb. Wir tranken unseren Kaffee vom Kannenverschluss, aßen still unsere Pausenbrote wie Schuljungen, knabberten an den Keksen und liebten das Leben. Was liebten wir uns! Kannst du das begreifen?

Wir hatten die Grenze des Glücks erreicht, man muss nur bis zum Meer fahren, denn Grenzen muss man fühlen.


1391018355589Katka

Kafka-lover, is in love with paper, words, books, tea, coffee, architecture, food, concrete, music, breakfasts, films, rain, the Tardis and Jack White.

Actually there are the little things in life that provide the greatest pleasure and so she puts them on paper.

Tiny, but lovely words can be found at www.katkaesk.com

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