Keine leichte Aufgabe.

Als du gegangen bist bin ich gerade mit dem Auto die altbekannte Straße lang gefahren. Konzentriert darauf, dem Verlauf der Fahrbahn so gut wie möglich zu folgen, was keine leichte Aufgabe war, weil es ja regnete und die Nacht sich bereits ausgebreitet hatte. Der Scheibenwischer half mir hektisch dabei, den Überblick zumindest ansatzweise zu wahren. Im Verkehrsradio meldeten sie schon von den ersten Unfällen, die dieser monsunartige Regen auf der nahegelegenen Autobahn mitverursacht hatte. Als ich die Einfahrt zum Haus meiner Eltern fand und das Fahrzeug in die sichere und trockene Garage gelenkt hatte, bleibe ich noch kurz sitzen, entspanne mich, warte. Atme tief durch.

Seit du gegangen bist hat es nicht mehr zu regnen aufgehört. Es schüttet, die ganze Nacht und den ganzen Tag. Ich steige nicht mehr in das Auto, weil ich es nicht mehr kann. Weil ich Angst habe, verstehst du? Weil man ja nie weiß und ich vielleicht damals einfach nur Glück hatte. Und wie oft hat man im Leben schon Glück, aber warum frage ich dich das? Ich liege nun immer daheim und denke an dich. Denke an dich und erinnere mich. Und auch das ist keine leichte Aufgabe, weißt du?

Bis du gegangen bist habe ich solche Gedanken stets verdrängt. Habe es nicht gewagt, daran zu denken. Weil schon das das Glück auf die Probe stellt. Ja, wirklich, ich habe so gedacht: Nur ja nicht das Glück herausfordern. Dabei ist Glück dasselbe wie Unglück, es passiert einfach und wir können nichts daran ändern. Wenn ich jetzt wieder einmal nicht an dich denken möchte, dann scheitere ich daran, weißt du. Ich will dich nicht vergessen, du bist ja noch da, in der Erinnerung. Aber du bist noch zu nah und ich will wieder leben. Und auch das ist keine leichte Aufgabe.

Du warst auf dem Weg zu mir, wolltest mich überraschen, bist ins Schleudern geraten, dieser verdammte Regen, dieser scheiß verdammte Regen und die bereits zum Stehen gekommenen Fahrzeuge und der Aufprall. Du wolltest mich überraschen und hast es geschafft. Mit einem Mal warst du weg, bist gegangen, hast mich hier allein zurückgelassen. Und ich versuche aus diesem verdammten Regen aufzutauchen, schnappe nach Luft und ich schaffe es nicht. Du warst auf dem Weg zu mir, verdammt und jetzt bist du gegangen. Wie soll sich all das denn bitte irgendwann wieder lebenswert anfühlen? Kannst du dir das vorstellen? Kannst du es? Ich kann es nämlich nicht. Und das … ja, das ist wohl meine schwerste Aufgabe.

Bildquelle: Csigusz / Pixabay

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